Wer den Saal 300 im Polizeipräsidium betritt, der spürt gleich eine besondere Atmosphäre. Dieser Raum atmet Geschichte – in seiner Architektur, seinen hohen Fenstern, dem langen Podiumstisch, in seinen Stühlen, in seiner Decke. Doch seit einigen Tagen ist da noch mehr: Es ist ein ebenso klarer wie erhabener Satz, der in kraftvollen Farben von der Wand über dem Podiumstisch in den Saal ausstrahlt.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ steht da. Artikel 1 des Grundgesetzes, Kernauftrag der Polizei und auch Titel des Werks, das der Wuppertaler Künstler Christian von Grumbkow für die Polizei Wuppertal geschaffen hat. Das Kunstwerk, bestehend aus vier großformatigen Leinwänden (je 1,90 x 1,90 m), konnte durch die großzügige Unterstützung der Enno und Christa Springmann-Stiftung durch den Verein Seitenblick e.V. erworben und dem Polizeipräsidium Wuppertal als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt werden.
„Artikel 1 ist für die Polizei der größte und ehrenvollste Auftrag“
Polizeipräsident Markus Röhrl
„,Die Würde des Menschen ist unantastbar' – für uns als Polizei ist das der größte und ehrenvollste Auftrag. Ab sofort wird er uns hier im Saal 300 immer wieder beeindruckend vor Augen geführt“, erklärte Polizeipräsident Markus Röhrl bei der Vorstellung des Werks am Dienstag, 01.07.. Der Artikel 1 des Grundgesetzes mit seiner Ewigkeitsgarantie gelte immer, sei unveränderlich: „Er ist das Herzstück unserer Verfassung. Wer diesen Satz versteht, der versteht auch die Ethik der Verfassung.“ Dabei wohne ihm, der grammatikalisch mit einem schlichten Punkt endet, eine Verletzlichkeit und Mahnung inne. „Das Grundgesetz sagt: Die Würde KANN angetastet werden. Erst mit dem zweiten Satz ,Sie zu achten und zu schützen ist die Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.' ergibt sich daraus der Auftrag“, so Röhrl. Der Behördenleiter dankte der Enno und Christa Springmann-Stiftung und dem Verein Seitenblick e.V. für die Möglichkeit, die Gemälde ins Präsidium holen zu können.
Vorsitzender des Vereins Seitenblick betont die Macht der Kunst
Vorsitzender des Vereins Seitenblick, der sich selbst die Verknüpfung von Polizei, Geschichte und Kunst auf die Fahnen geschrieben hat, ist Prof. Johannes Busmann. Für den Dozent der Fakultät für Design und Kunst an der Bergischen Universität Wuppertal ist Artikel 1 des Grundgesetzes „die schönste Prosa, die es gibt“. „Sie ist keine direkte Anweisung – und doch macht er die gesamte Kultur und Ethik unserer Gesellschaft aus“, erklärte der Professor. Er betonte die Kraft der Kunst: „Kunst ist nicht einfach etwas Schönes, das man sich irgendwo hinstellt. Kunst hat Macht. Kunst kann Einfluss nehmen – auch politisch.“ Kunst könne Partei ergreifen. Ebenso für das Dunkle, wie für das Helle.
Insofern schaffe Christian von Grumbkow mit seinem Werk an einem geschichtsbewegten Ort wie dem Saal 300, der von den Nationalsozialisten erbaut wurde, aber auch hohe Stunden der Demokratie erlebt hat und in dem heute Jahr für Jahr die neue Generation von Polizistinnen und Polizisten begrüßt wird, etwas Besonderes: „Dieser Raum hat zum ersten Mal eine Mitte. Wer diese Gemälde sieht, wird um diese Mitte nicht mehr herumkommen. Dass hier im Präsidium jetzt diese Mitte gefunden wurde, ist eine Genugtuung“, so Prof. Busmann.
Werke von Grumbkows sollen Auftakt für weitere Ausstellungen sein
Christian von Grumbkow selbst war, als er für die Arbeit angefragt wurde, zunächst skeptisch. „Die Arbeit mit Text ist eigentlich nicht meins“, erzählte der Künstler, dessen Werke von Goethes Farbenlehre, nach der Farben eine sinnlich-sittliche Wirkung haben, beeinflusst sind. Doch er habe sich rangetastet und die Farben, die „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nun ausstrahlen, habe ihn schließlich mit der Arbeit versöhnt. „Blau ist die Farbe der seelischen Empfindungen. Blau suggeriert auch Tiefe und Weite“, erläutert von Grumbkow. „Rot steht für das Leben und die starken menschlichen Emotionen. Gelb steht für Leichtigkeit und Licht. Weiß signalisiert Weisheit und Spiritualität.“
Flankiert wird das große Kunstwerk im Saal 300 durch acht kleinere Bilder, die von Grumbkow mit den Farbresten des großen erstellt hat. Sie sollen Auftakt sein für wechselnde Ausstellungen anderer Künstlerinnen und Künstler, die künftig mit ihrer Kunst ins Präsidium kommen wollen und sollen, wie Polizeipräsident Markus Röhrl erklärte: „Es soll sich etablieren. Für die Künstlerinnen und Künstler, aber auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Polizeipräsidiums.“