Es waren Sekunden, die das Leben von Tabea S. für immer verändert haben: Die Sekunden, in denen sie sich entschied, nach der Party in das Auto des jungen Mannes zu steigen, den sie nur flüchtig kannte. Und die Sekunden, als das Auto mit rund 90 Stundenkilometern aus einem Kreisverkehr in Remscheid getragen wurde und erst von einem Baum gestoppt wurde.
Es waren Sekunden, die auch das Leben von Fabian K. für immer verändert haben: Die Sekunden, in denen er sich, obwohl betrunken, hinter das Steuer setzte. Und die Sekunden, als er die Kontrolle über seinen Wagen verlor und den Unfall verursachte, bei dem Tabea schwer verletzt wurde.
Sekunden, die bis heute nachwirken: Auch drei Jahre nach dem Unfall leidet Tabea, heute 20 Jahre alt, unter starken gesundheitlichen Einschränkungen. Sie konnte ihre Schule nicht abschließen, keine Ausbildung machen, kann nicht arbeiten. Fabian indes lebt mit dem Wissen, die schweren Verletzungen von Tabea verursacht zu haben – und wird noch viele Jahre die Kosten für Versicherungen und Schmerzensgeld abbezahlen.
320 Jugendliche verunglücken jedes JahrJetzt wollen Tabea und Fabian andere junge Menschen sensibilisieren: Im Rahmen der Präventionskampagne „Crash Kurs NRW. Realität erfahren. Echt hart“ erzählen sie Schülerinnen und Schülern im Bergischen Städtedreieck von ihren Erlebnissen. Seit 2010 gibt es die landesweite Kampagne der Polizei NRW, seit 2011 im Bergischen Städtedreieck. Rund 25.500 Schüler in Wuppertal, Solingen und Remscheid haben die Veranstaltungen der Kampagne seitdem erlebt. Sie gehören zu einer besonders gefährdeten Gruppe im Straßenverkehr: 320 Jugendliche und junge Erwachsene sind 2016 in Wuppertal, Remscheid und Solingen im Straßenverkehr verunglückt.
Die Kampagne „Crash Kurs NRW“ erreicht genau diese junge Zielgruppe: War es in dem großen Raum des Wuppertaler Carl-Fuhlrott-Gymnasiums, in dem bei der jüngsten Crash Kurs-Veranstaltung rund 200 Oberstufenschüler zusammen gekommen sind, gerade noch laut, herrscht nach den ersten Bildern und Tönen Stille. Die Veranstaltung kombiniert Filmsequenzen, Fotos und Videos von Unfallstellen, echte Notrufe und Berichte von Menschen, die Unfälle erlebt haben: Als Polizist oder Feuerwehrmann, als Rettungssanitäter oder Notfallseelsorger, als Opfer oder Angehörige. Das lässt keinen kalt: „Crash Kurs“ ist intensiv, geht ins Herz, tut weh – und rüttelt so auf.
Denn eines wird deutlich: Es sind Sekunden und es sind Entscheidungen, die im Leben so vieler Menschen den Unterschied machen können. In dem Leben der Opfer, in dem Leben von Familien und Freunden, aber auch im Leben von Zeugen, Helfern und Rettern.
Das brennt sich ein„Die Bilder haben sich eingebrannt“, berichtete bei der jüngsten Crash Kurs-Veranstaltung beispielsweise Polizeikommissar Daniel Rupprath von dem Moment, als er Eltern nach einem Unfall den Tod ihres Sohnes mitteilen musste.
„Ich will erzählen, was passieren kann. Jeder von uns hat jemanden, den er gern hat. Wir wollen, dass Ihr nach Hause kommt“, beendete ein Polizeikommissar seine Erzählung von jenem Motorradunfall in Wuppertal, bei dem eine junge Frau so schwer verletzt wurde, dass sie jetzt im Rollstuhl sitzt.
Ein Unfall, betonte Polizeihauptkommissar Ralf Wentland von der Verkehrsunfallprävention in Wuppertal, sei nie nur ein schicksalhaftes Ereignis. „Er ist das Ergebnis des Verhaltens eines Menschen. Hier seid Ihr gefragt: Ihr werdet jetzt und in Zukunft tagtäglich vor Entscheidungen stehen. Zu wem steige ich ein? Wie verhalte ich mich, wenn der Fahrer zu schnell fährt? Habe ich den Mut, Bescheid zu sagen? Wenn Ihr in solchen Situationen in Zukunft gute und mutige Entscheidungen trefft, hat sich diese Veranstaltung gelohnt. Wir wollen, dass Ihr am Leben bleibt.“